Auf der Seite www.grafschafter-schulgeschichte.de hat Alois Brei die Arbeit von Heinz Ragnitz veröffentlicht. Dort findet sich die Geschichte aller Grafschafter Schulen von ihren Anfängen bis 2012. Ich habe die Seiten über die Neuenhauser Schulgeschichte in einer PDF-Datei zusammengefasst. Man kann sie mit dem Knopf rechts herunterladen. gjb 30.12.22
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Zeuge vergangener Begräbniskultur


Leichenwagen von 1855
Die Niederländisch-reformierte Gemeinde Wuppertal kaufte diesen Wagen 1855 für 200 Thaler. Sie schloss einen Vertrag mit dem Transportunternehmer (Hauderer) „Klophaus Gespann und Führer“, Gespann und Führer zu stellen. Gebaut wurde der Wagen evtl. schon Jahrzehnte vorher. Die Gemeinde nutzte ihnetwa 1.800 Mal u.a. wohl auch bei der Beerdigung ihres Pastors Friedrich Hermann Kohlbrügge (1803-1875, s. Gemälde rechts v. 1853 von Julius Röting). (Klaus van Bürck per Mail am 04.0.2016 an Georg Hagmann)
Die NRG Wuppertal verkaufte den Wagen 1928 für 800 Mark an die reformierte Gemeinde Neuenhaus. Diese veräußerte ihn 1954 an die Stadt Neuenhaus, die ihn bis 1972 nutzte, bis zum Bau der Leichenhalle.
Verstorbene aller Konfessionen wurden mit diesem Wagen beerdigt, ebenso auch jüdische MitbürgerInnen. Vereinzelt war der Wagen laut Kirchenratsprotokoll auch in Veldhausen, Uelsen und Lage im Einsatz.


Der Wagen wurde von ein oder zwei Pferden gezogen. Die Pferde wurden mit einer schwarzen Decke fast ganz verhüllt. Kam ein Leichenzug entgegen, blieben alle stehen. Niemand überholte ihn und alle Männer am Straßenrand nahmen ihre Mütze ab.
Nach seiner Außerdienststellung in 1972 (Leichenhalle erbaut) war der Wagen weiter in Neuenhaus untergestellt und ab 2001 auf dem Eekenhof in Alte Piccardie. Er wurde 2019 von der Firma Meinderink, Esche, restauriert und ist der einzige Leichenwagen, der in der Grafschaft erhalten geblieben ist. Inzwischen soll er im Tierpark in Nordhorn ausgestellt werden.



Zeuge einer vergangenen Begräbniskultur, Auszug aus einem GN-Artikel von Daniel Klause vom 18.10.2008
… Nicht das Auto sondern der Bau der Leichenhallen direkt auf den Friedhöfen machte die Kutschen überflüssig. Seitdem die Verstorbenen nicht mehr zu Haus aufgebahrt werden, ist die Begräbniskultur der Leichenzüge Geschichte.
Friedrich ten Brink kann sich noch gut an die Leichenzüge erinnern. „Direkt hinter dem Wagen gingen die Männer. Erst danach kamen die Frauen“, berichtet der Sohn des letzten Leichenwagenfahrers aus Neuenhaus. Mehr als 20 Jahre lang brachten sein Vater Heinrich oder sein älterer Bruder Georg ten Brink die Verstorbenen zu den Friedhöfen. …
Das Anspannen erfolge in der Wallstraße neben ten Brinks Ackerbürgerhof. Der Wagen stand in einem inzwischen abgerissenen Haus neben der katholischen Kirche, später in einer Garage auf dem heutigen Neumarkt.
„Wenn sich ein Leichenzug näherte, blieben alle Autos stehen. Niemand überholt. Fahrradfahrer saßen ab, man nahm seine Mütze ab und faltete die Hände“, berichtet der 77jährige Neuenhauser. Bereits einige Jahre vor dem Tode seines Vaters im Jahre 1974 seien die Leichenzüge eingestellt worden. (gjb 1972, s.o.).
Der Wagen wurde zunächst in einer Garage des Hotels Teismann an der Burgstraße abgestellt. „Jugendliche haben sich einmal einen Streich erlaubt und den Wagen nachts herausgeholt und auf den Alten Markt geschoben,“ erinnert sich Heimatforscher Lüpke Heier.
Nach dem Abriss des Hotels stand der Wagen zunächst in einer Garage des Bauunternehmens Anton Meyer und zuletzt im Bauhof. 2001 sah Helene Scherfer von der IG Arbeitspferd den Wagen zufällig dort stehen. Sie machte Jürgen Donker vom Eekenhoff auf das historische Gefährt aufmerksam. Weil auch der Stadt Neuenhaus am Erhalt des Wagens gelegen war, wurde eine Vereinbarung mit der Interessensgemeinschaft geschlossen und der Wagen nach Alte Piccardie gebracht.
Heute ist er der einzige von Pferden gezogene Leichenwagen in der Grafschaft, der die Zeiten überdauert hat. Die meisten sind wohl irgendwann verschrottet worden. Lediglich für die Wagen aus Emlichheim und Uelsen fanden sich Liebhaber in den Niederlanden. In Wietmarschen fuhrt bis 1965 die zum Leichenwagen umgebaute ehemalige Kutsche des Pastors. Ihr Verbleib ist ebenso unbekannt wie die der Wagen aus Schüttorf, Bad Bentheim und Nordhorn. …
In der Öffentlichkeit war der Leichenwagen bislang nur selten zu sehen, etwa bei den Korsos in Nordhorn (gjb um 2008) und 2014 in Lingen. … Nach Auskunft des Bundesverbandes der Bestattungsunternehmen darf ein Pferde gezogener Leichenwagen auch heute noch gemäß seiner eigentlichen Bestimmung eingesetzt werden. (Daniel Klause, GN 18.10.2008, S. 23).
Dieser Wagen soll demnächst im Tierpark in Nordhorn zu besichtigen sein. Er wurde 2019 von der Firma Meinderink in Esche restauriert, die Firma Tausch aus Neuenhaus fertigte neue Vorhänge. Der Wagen war zum 650jährigen Stadtjubiläum 2019 in der Ausstellungshalle vom Autohaus Olthoff ausgestellt. (gjb 19.05.2023)
Hier drunter Beerdigung 1971 in Neuenhaus vor der Adresse von Lager Straße 9.
Pastor Prinz geht als erster hinter dem Wagen, danach folgen die Angehörigen.

Rechts ein Foto aus den GN vom 06.10.2008, S. 17 (Foto Konjer)
Die Bildunterschrift:
Die originalgetreueste Kutsche spannten Josef Dues aus Vreden und sein Beifahrer Dieter Maathuis aus Emlichheim an. Der Leichenwagen fuhr am Ende des Korsos.
Im Text erfährt man: Diese Kutsche wurde Sieger in der Kategorie der originalgetreuesten Kutschen.

Zur Geschichte der Stadt Neuenhaus
Von Karl Sauvageerd,
aus: Benth. Jahrbuch 1969, S. 15-22. Zwischenüberschriften gjb
Am Südrande des Bourtanger Moores, entlang der holländischen Grenze, liegt die Grafschaft Bentheim. Auf der Landkarte sieht man eine Nase in die Niederlande hineinreichen. Wenn man diese Nase abschnitte, so würde dieser Schnitt am Süd- Ende die Stadt Neuenhaus berühren.
Die Vechte durchfließt die Grafschaft Bentheim der Länge nach von Süden nach Norden. Die Dinkel fließt bei Gronau i. W. nach Holland und tritt bei Lage – Brecklenkamp wieder über die Landesgrenze. Sie durchfließt mit mehreren Armen (Becken) die Stadt Neuenhaus und mündet am Stadtrand in die Vechte.
Vor Jahrhunderten war diese Gegend eine menschenarme, ziemlich stark bewaldete Sumpflandschaft. Neuenhaus gehörte zu dem großen Waldgebiet, welches man den »Osterwald« nannte und von welchem noch heute der Ort Osterwald den Rest bildet. In diese Gegend wagten sich nur selten Menschen; denn der sumpfige Boden brachte Arbeit und Gefahr mit sich, und zum Siedeln war ja noch genug »Umgegend« da. Vielleicht haben hier Jäger und Fischer ein gutes Jagdrevier gefunden, wer will das heute noch feststellen?
Und doch gab es Gründe, hier eine Siedlung entstehen zu lassen. Sie werden wohl hauptsächlich handelspolitischer und strategischer Art gewesen sein.
Burg Dinkelrode 1317
Wenn wir von der Hauptstraße, jetzt Bundesstraße 403, neben dem alten Rathaus in Richtung Turnhalle—Schulen abbiegen, stehen wir bald auf einer erhöhten Stelle. Hier ist der Punkt, von wo die Stadt Neuenhaus ihren Anfang nahm. Nicht viele Städte und Dörfer können so genau ihre »Wiege«, ihren »Geburtsplatz«, angeben, wie es Neuenhaus mit Sicherheit kann. An dieser Stelle, welche noch heute »Die Burg« heißt, erbaute im Jahre 1317 der Bentheimer Graf Johannes II. (1305—1333) die Burg Dinkelrode. Im Gegensatz zum »Alten Haus« — nach einigen Auslegungen ist hiermit die Burg Bentheim gemeint, nach anderen das »Alte Haus« in Grasdorf — nannte man Dinkelrode das »Neue Haus«. Man nimmt an, daß hieraus der Name Neuenhaus entstanden ist.
Zu dieser Burg, die ganz vom Wasser der Dinkel umgeben war, gesellte sich bald eine sogenannte Vorburg, eine Gruppe von Gebäuden, welche hauptsächlich für das Dienstpersonal bestimmt war. Auch diese Vorburg war ganz vom Wasser umgeben. Eine Zugbrücke führte über den einen Graben etwa dort, wo heute die Straße nach Uelsen führt, in der Nähe des Amtsgerichtes. Noch bis in unsere Zeit hinein behielt diese Gegend den Namen »Söwen-hüüssies-hook«, die Siebenhäuser-Ecke, und kann somit als der älteste Teil der Stadt angesehen werden. Eine Brücke führte zur eigenen Burg.
Söven Hüüssies Hook
Der »Söwen-Hüüssies-Hook« lag etwa zwischen dem Mühlenbach, wie dieser heute bei der Gastwirtschaft Meckelnburg-Paust (Onkel Hans) die Straße kreuzt, und einem weiteren, jetzt nicht mehr vorhandenen Wasserlauf, welcher ungefähr dort, wo jetzt die Lager Straße abzweigt, seinen Lauf nahm. Das erste der sieben Häuser und somit das älteste war das eben erwähnte Meckelnburg-Paustsche Wirtshaus. Ferner waren: Haus Nr. 2 das Nebenhaus dieses Gebäudes, Haus Nr. 3 das frühere Tormijnsche Haus (zuletzt Stülen), Haus Nr. 4 das früher Hargersche (zuletzt Lankhorst) Haus und das fünfte das jetzt nicht mehr vorhandene, zwischen dem Haus Nr. 4 (Lankhorst) und dem späteren Rentamt gelegene Haus des Barbiers Schmidt.
Das Haus Nr. 6 war das eben erwähnte Rentamt und Haus Nr. 7 das Hinterhaus des jetzigen Hotels Sickermann. Dieses Hotel war lange im Besitz der Familie Krull, welche einige sehr bedeutende Männer hervorbrachte, gelangte dann in den Besitz des Amtsassessors Crameer, danach an eine holländische Familie Bathe und danach an Familie Sickermann.
Alle diese Häuser sind im Laufe der Zeit umgebaut, vergrößert, verändert, ausgebessert oder ganz erneuert. Sie stehen aber doch wohl durchweg auf dem gleichen Platz wie zur Zeit der Stadtgründung.
Diese sieben ersten Häuser blieben indes nicht lange die einzigen. Bald kamen andere dazu, es wurden tiefe Gräben gezogen und die vorhandenen Wasserläufe (Dinkel-Arme) wohl auch vertieft und geschickt mit in das Graben-System einbezogen. Mit der ausgegrabenen Erde wurden Wälle aufgeschüttet, Zugbrücken führten zu den Ausfallstraßen — und die Festung war fertig. Damals war es noch leicht möglich, sich zu verschanzen und einen Ort schwer einnehmbar zu machen. Die Wissenschaftler hatten noch nicht »das Pulver erfunden«, geschweige denn Atombomben oder noch Schlimmeres.
Handels- und Wasserwege, Stadtrechte 1369
Neuenhaus war zu jener Zeit Schnittpunkt bedeutender Handelswege. Von Leipzig oder noch weiter weg konnte man geradewegs bis in die holländischen Städte reisen – über Neuenhaus.
Die Vechte bildete den Wasserweg, und viele Schiffe brachten Bentheimer Sandsteine und vieles andere bis nach Amsterdam. Die Lage war also günstig, das viele Wasser konnte zum Schutz der Stadt ausgewertet werden, und schließlich dürften auch noch strategische Gesichtspunkte die Bentheimer Grafen bestimmt haben, der Burg und der neuen Siedlung ihre besondere Gunst zu schenken und auch noch lange Zeit zu erhalten.
Das ermutigte dann viele Leute, sich hier anzusiedeln, und der Ort wuchs. Im Jahre 1369 — vor nunmehr 600 Jahren – erteilte Graf Bernd I. dem neuen Ort Stadtrechte.
Die bislang älteste bekannte Urkunde der Stadt stammt aus dem Jahre 1370 und berichtet von Holzrechten aus dem Oster-Wald und vom Brückenzoll aus dem Uelser Gericht. Auch eine Schenkungs-Urkunde, den Mors betreffend, stammt aus jenen Zeiten. Nebenbei bemerkt: der Name Mors hat nichts mit dem bekannten Hamburger Spruch »Hummel Hummel – Mors Mors« zu tun. Der Name bedeutet feuchte, tiefliegende Wiese bzw. nasses Grundstück, möglicherweise hat er im Wortstamm die gleiche Herkunft wie das Wort Morast. Diese alten Urkunden beweisen also das Alter unserer Stadt.
1417 gegen Utrecht
Eine kurze Betrachtung, ein Streifzug durch die nunmehr sechshundert Jahre Geschichte dieser Stadt möchte einen kleinen Einblick gewähren in die wechselvollen Zeiten, welche Aufstieg und Niedergang, Freud und Leid, Glück und Unglück brachten, hier wie auch anderorts.
Schon von Anfang an waren es leider nicht immer friedliche Zeiten. Schon im Jahre 1417 war Neuenhaus Kriegsgebiet. Graf Everwin und der Fürstbischof von Utrecht bekämpften sich auch hier.

Zeichnung vom Uelsener Tor etwa 1750
Unter Everwin II. um 1500 herrschten wieder Friedenszeiten, und Handel und Wirtschaft blühten empor. Auf dem Timmermors wurden Schiffe gezimmert (Vechteschuten usw.), in der Klinkhamerstraße klangen die Hämmer der Schmiede, auf dem Steinmors lagerten die Steine, zumeist wohl aus Bentheim und Gildehaus, welche dann per Schiff nach Holland verfrachtet wurden. (Diese alten Flur- und Straßennamen existieren noch heute.) Es ist bekannt, daß die Mühle, fast so alt wie die Burg, einen Zins von 77 Müdde Roggen – etwa 65 Zentnern – einbrachte, für damalige Verhältnisse durchaus keine Kleinigkeit. Und die Stadt wuchs.
1592 Spanier
Doch im Jahre 1592 gab es wieder Kriegslärm, Hunger und Belagerung. Die Spanier lagen vor den Toren und richteten wie alle Kriegshorden unermeßlichen Schaden an. Im Dreißigjährigen Krieg, 1634, fielen dann auch die Mauern der Burg Dinkelrode. Was »Bürgerfleiß und Herrengunst, Kaufmannsgeist und Handwerkskunst« in mühseliger Arbeit geschaffen hatten, das fiel nun der Kriegsfurie zum Opfer. Schweden, Hessen und Kaiserliche trieben rücksichtslos Kontributionen ein, es kam zu richtigen Erpressungen. Aus dem Jahre 1640 wird von vielen Einquartierungen berichtet, das bedeutet auch ungeheure finanzielle Belastungen. Diese wild bewegten Zeiten machten der jungen Stadt das Leben schwer. Dazu kam noch, dass im Jahre 1664 die Pest viele Opfer forderte. 1674 hatte der kriegerische Bischof Bernhard von Galen Neuenhaus besetzt, doch General Rabenhaupt nahm die Stadt im Sturm. 1677 wurden 70 Häuser verbrannt und verwüstet.
1757-1763 und 1795-1813 Franzosen
Das war nun alles andere als friedlicher Aufbau. Jahrzehnte hindurch ging das so weiter. Im Jahre 1757 besetzten Franzosen die Stadt, und als 1763 der Friede geschlossen wurde, war Neuenhaus – oder was von der Stadt noch übrig geblieben war – bettelarm. 1795 gab es dann wieder Kriegslärm, und wieder kamen französische Truppen an.
Hier sei erwähnt, daß damalige Zeiten in Neuenhaus an Schillers »Wilhelm Teil« erinnern. Zwar gab es nicht einen Geßler-Hut auf der Stange, dem man Reverenz erweisen mußte, aber doch etwas Ähnliches. Alte Urkunden berichten, daß am Dienstag, dem 16. Juni 1795, nachmittags von den Franzosen ein »Freiheitsbaum« errichtet wurde, den die Bürger grüßen mußten. Auf das Nichtgrüßen standen hohe Strafen. Natürlich paßte das den meisten Bürgern durchaus nicht, und mancher machte einen Umweg, um dieser Pflicht zu entgehen.
Bis etwa 1929/30 stand in der Nähe des reformierten Friedhofes noch der Rest einer alten Windmühle. Die Geschichte berichtet, daß hier 1813 die Kosaken lagerten. Ihr Anführer, Fürst Narischkin, wohnte im Haus am Markt. Von ihm wird berichtet, daß er schönen Frauen den Hof machte. Wahrscheinlich gehörte auch das zur Kriegsführung. 1824 wurden Amt und Vogtei durch Hannover erbaut.
1861 König Georg von Hannover
1861 besuchte König Georg V. von Hannover Neuenhaus, beleidigte aber einen Sohn der Stadt, den aus Neuenhaus stammenden Johannnes Miquel (den Bismarck später zum preußischen Finanzminister machte). An Miquel erinnert heute die von der Morsstraße abzweigende Miquelstraße. Damals waren die Stadtväter erbost, und keiner von ihnen wollte mit einer Ansprache den blinden König begrüßen. So holte man noch in der Nacht den als redegewandt bekannten Bauern Jakobs aus Piccardie, welcher dann die Ansprache hielt. 1866 kam Neuenhaus dann an Preußen.
Amtsgericht, Hilfsamt, Katasteramt
Die Stadtväter waren sehr darauf bedacht, daß Neuenhaus den ihm gebührenden Platz im Lande bekam. Als zentraler Ort, gelegen an wichtigen Land- und Wasserwegen, war Neuenhaus, so meinten sie, der Platz, welcher allein als Kreis-Hauptstadt in Frage komme. (Nordhorn war früher viel kleiner als Neuenhaus und ist erst durch die Industrie und viele Eingemeindungen zu seiner jetzigen Größe angewachsen.) Bentheim lag zu weit im Süden, war also praktisch Mittelpunkt einer kleinen Fläche, welche vom Südrand der Grafschaft bis etwa Holt und Haar – Neerlage – Quendorf reichte. In einer Zeit, welche keine Bahn, keine Autos und keine Fahrräder kannte, sondern nur Schiffe, Pferdefuhrwerke und allenfalls »Schusters Rappen«, wäre den Bewohnern der nördlichsten Orte der Grafschaft, wie z. B. Eschebrügge, Neuringe oder Adorf, wohl auch zu viel zugemutet gewesen, wenn sie in Verwaltungs- oder Gerichtssachen nach Bentheim hätten kommen müssen. So war Neuenhaus bestrebt, als die Frage einer Kreis-Hauptstadt akut wurde, diesen Platz einzunehmen. Im Jahre 1884 sollte es dann soweit kommen, und auf Köhlers Betreiben nahm der Landtag diesen Plan ernstlich in Aussicht. Aber die Regierung entschied dann doch, daß Bentheim Kreis-Hauptstadt wurde, und Neuenhaus bekam sozusagen eine Zweigstelle, nämlich ein landrätliches Hilfsamt, Auch das Amtsgericht hatte seinen Sitz in Neuenhaus, ebenso das Katasteramt.
Textil- und andere Fabriken 1789 bis etwa 1850
Da einige später die Errichtung von Textilfabriken von der Stadt aus verschiedenen Gründen, wohl hauptsächlich wegen Platzmangels, abgelehnt wurde, blieb Neuenhaus in der Entwicklung sehr zurück und wurde von dem rasch aufblühenden Nordhorn überflügelt. Der alte Leinenhandel war seinerzeit von beträchtlichem Umfang gewesen. Wenn wir lesen, daß z.B. 1825 die Produktion 16840 Ellen betrug, so erkennt man schnell die Bedeutung für die Stadt jener Tage. Aber auch dieses Geschäft fiel der Neuzeit und der auswärtigen Konkurrenz zum Opfer.
Die 1789 von A. Köhler, J. A. Born und D. Schneido auf der Wagenhorst errichtete Seifenfabrik, welche z.B. 1791 schon 1571 Tonnen Seife produzierte, war auch nicht besser daran, ebenso wie der Steinhandel der Vechteschiffahrt nach Holland. Alle Betriebe fielen der weiteren Entwicklung zum Opfer. Auch neue Betriebe konnten es nicht zur Größe bringen, wie z. B. die Herstellung von Talgkerzen aus Schaf-Fett, die Arends betrieb, oder der Anbau und die Verarbeitung von Zichorie in Kellers Garten oder die Lohgerbereien in den jetzigen Häusern von Peters und Schräder, sowie eine Hutfabrik auf der Neustadt. Es waren alles nur Versuche, die bald wieder aufgegeben werden mußten, da sie nicht rentabel waren.
Flugtag 1785
Daß die Neuenhauser doch stets unternehmungslustig waren, geht aus einem interessanten Ereignis hervor, von welchem Ludwig Sager im Bentheimer Heimatkalender 1941 berichtet. Der Titel lautet: »Wo war der erste öffentliche Flugtag in Deutschland? Sager meint, wir dürften mit gutem Recht annehmen, daß dieser erste Flugtag in Neuenhaus stattfand. Und zwar berichtet eine vergilbte Zeitung, die »Amsterdamsche Courant« vom 5. Juli 1785, ausführlich darüber. Sager bemerkt vorweg, daß erst zwei Jahre vorher die Brüder Joseph und Jacques Montgolfier die ersten Versuche mit Heißluft-Ballons in Paris veranstalteten. Im gleichen Jahre, als der erste mit Menschen bemannte Ballon von Dover nach Calais flog, haben sich auch schon Neuenhauser mit dieser Kunst befaßt.
Der Bericht der »Amsterdamsche Courant« lautet:
“1785. Nieuwenhuis in het Graafschap Bentheim den 27. Juny. Heden namiddag om half 5 uuren, heeft men hier op’t zogenaamde Hogevonder- veld een Lucht-Maschine, ter groote van 50 voeten in zyn omtrek, en hooge 22 voeten, boven met een vlag vercierd, na dat dezelve binnen een quart uur met brandstoffen gevuld was, opgelaten, zynde een Noord-Noord-Oosten-Wind, haar cours neemende over deze stadt na’t Zuid-Westen, die in de tijd van ruim 15 minuten geheel voor’t gezicht verdween. De toevloed van aanschouwers uit deze stadt, als ook van de omliggende steden en dorpen, zoo van heeren en Dames van den eersten rang, als particulierte persoonen, was ongemeen groot, en allen betuigden, zeer voldaan te zijn.«
Die Namen der Veranstalter dieses ersten Flugtages nennt der Bericht nicht. Falls es sich nicht um eine »Zeitungs-Ente« handelt, haben wir hier einen Bericht von dem fortschrittlichen und unternehmungslustigen Geist der damaligen Bewohner von Neuenhaus vor uns. (GJB, siehe „Grasdorf ist überall 2022, S. 142f)
Burg, Stadttore und Mühlen verschwinden 1770-1970
Und trotzdem ging es mit dem Aufschwung der Stadt nicht weiter. Die hoffnungsvollen Betriebe erlagen der größeren Konkurrenz. Sogar die alten Stadttore, die Poorten genannt wurden, mußten dem zunehmenden Verkehr weichen, da sie zu klein waren und sich als Verkehrshindernis erwiesen. Über der Uelser Poorte war auch das Arrestlokal angebracht und mancher alter Neuenhauser kennt noch recht gut den Ausdruck: „Hee kump up de Poorte“- das heißt: er kommt ins Gefängnis.
So wandelte sich das Ansehen der kleinen Stadt erheblich. Heute ist von der Burg nichts mehr zu sehen, die Tore sind verschwunden, ebenso die Mühlen. In den letzten Jahren wurden wieder einige alte Patrizierhäuser und ehemals prächtige Fachwerkbauten abgerissen, mittelalterliche Gartenpforten aus Bentheimer Sandstein und andere Denkmäler der Vergangenheit verschwanden, und neue Häuser geben der Stadt ein anderes Gesicht.
Allerdings gibt es noch hier und da einzelne Zeugen der Vergangenheit zu sehen. Einige alte Giebel am Marktplatz und an der Hauptstraße sind noch in alter Form zu sehen und werden von den Hausbesitzern gut gepflegt. Vom alten Stadtwall ist noch ein Teil als Fußweg mit dem Stadtgraben erhalten. Hinter der früheren Ölmühle bis zum »Söwen-hüüssies-hook« heißt er »Ölwall«, der Graben die Mühlenbecke. Das alte Stauwerk an der Lager Straße, welches das Wasser der Dinkel reguliert und wohl fast so alt wie die Burg Dinkelrode sein dürfte, wurde 1604 für 4000 Taler neu errichtet und später den modernen Verhältnissen angepaßt. Es ist noch heute in Betrieb und mit seinem »Flootwerkskolk« und seinem Wappenschmuck eine Sehenswürdigkeit.
Von vielen Dingen künden nur noch die Flurnamen. Wo man früher das Leinen bleichte, der Flurname »de Bleeke« erinnert noch daran, stehen heute die moderne Burgschule und die Turnhalle; dahinter liegt der Sportplatz. Im anschließenden Gelände auf der »Borgthorst« finden wir die katholische Volksschule, die Realschule und nun auch die Mittelpunktschule und das neue Gymnasium. Eine ganz neue Wohnsiedlung ist auch dabei entstanden. »Das Alte stürzt, es ändert sich die Zeit, und neues Leben blüht aus den Ruinen.«
Hermann Löns 1912 in Neuenhaus
Im Jahre 1912 besuchte Hermann Löns, der Heidedichter, die Grafschaft Bentheim und traf auf dem Bahnhof Neuenhaus ein. Ihm hatten es bald die Heidehügel der Umgebung und die alten Grafschafter Namen angetan. In seinen Werken erschienen einige solcher Namen: im »Wehrwolf« heißt es von einem Knecht: »Er hieß Ramaker und stammte aus der Grafschaft Bentheim« (Ramaker ist ein noch heute existierender Neuenhauser Hausname); im »Zweiten Gesicht« erscheint der Name Swaantje usw. Löns wohnte eine Zeitlang im benachbarten, elf Kilometer entfernten Ootmarsum (Holland). Dem Landwirtschafts-Direktor Grashoff schrieb Hermann Löns damals in sein Hausbuch die Worte: »Heide ist besser als Asphalt!«
Sitten und Gebräuche
In einer so ruhigen Kleinstadt, wo keine größere Industrie aufkam, welche ja immer viel fremdes Volk anzieht, hielten sich naturgemäß auch lange viele alte Sitten und Gebräuche. Bis vor dem Kriege konnte man noch das »Middewintershöörn« hören. Zu Weihnachten und Neujahr wird noch heute »gebeiert«; in der Neujahrsnacht zieht der (längst nicht mehr im Amt befindliche) Nachtwächter mit dem alten Horn durch die Straßen und, einem alten Brauch folgend, gehen Bürgermeister und Stadtväter (Ratsherren) sowie viele alte und junge Einwohner mit ihm durch die Stadt »achter de Wacht«, wobei die alten Wachtlieder gesungen werden. Am Martinstage kommen die Kinder mit ihren Lampions und ausgehöhlten Runkelrüben, welche durch eine Kerze von innen erleuchtet werden, und singen ihr Lied vom »Sündermattmanns Vögeltien«, und zu Fastnacht kommen sie wieder, diesmal vermummt und verkleidet, und singen: „Fasseläwend kump van awend“. Auch die Pingsterkrone sieht man hier und da noch auf den Straßen. Allerdings haben diese alten Sitten in neuerer Zeit sehr abgenommen.
Ein anderer Brauch ist ganz verschwunden. Von ihm berichtet die Zeitung vom 12. August 1939 unter der Überschrift:
Rathausglocke wird Geburtsglöcklein – Nach dreihundertjährigem Schlaf
Neuenhaus. Die Rathausglocke des Dinkelstädtchens Neuenhaus stammt aus dem Jahre 1639 und wurde von Heinrich ter Horst in Deventer gegossen. Die Ratsherren des Städtchens haben beschlossen, die alte Glocke, die im Laufe der Jahrhunderte bereits mehrfach zersprang, nunmehr umgießen zu lassen. Nach der Reparatur soll die Glocke mittags um 1/4 vor 12 eines solchen Tages ertönen, an dem eine Mutter einem Kind das Leben schenkte.
In dem von Heinrich Specht herausgegebenen Bentheimer Jahrbuch vom Jahre 1946 lesen wir auf Seite 37:
Das Geburtenglöckchen von Neuenhaus.
»In Neuenhaus besteht ein Brauch, der besonders schön ist und eigenartig deshalb, weil man ihn sonst im weitesten Umkreis nicht mehr findet. Im Rathausturm befindet sich eine kleinere Glocke, die jedesmal fröhlich erklingt, wenn ein neuer Erdenbürger das Licht der Welt erblickt hat. Die Neuenhäuser erfahren so, daß wieder einmal der Storch, der leider seine alte Niststätte auf der Burg aufgegeben hat, in einem Haus des freundlichen Städtchens Einkehr gehalten hat. Das Geburtenglöckchen auf dem Rathause wird stets gern vernommen. Neuenhaus, das so reich an Brauchtum aus der Väter Tagen ist, ist stolz auf dies schöne Erbe, das es liebevoll zu pflegen weiß und das es auch in jedem Fall bewahren muß.« —
Das war von 23 Jahren, heute ist das Glöckchen vergessen.
Vereine
Wie überall, so hat auch hier das kulturelle Leben ein Auf und Ab zu verzeichnen. Heute gibt es noch außer den kirchlichen Vereinen den Schützenverein, den Turn- und Sportverein, den Angelsportverein, den Städtischen Chor usw. Ein etwa 25 bis 30 Mann starker Blas-Musikverein bestand bis vor dem Kriege und wies ein beachtliches Niveau auf. Nach dem Kriege waren noch acht Mitglieder da, ein Neuanfang scheiterte an den Verhältnissen und am fehlenden Geld. Der Krieg hat auch hier manche Lücke gerissen, die nicht wieder ausgefüllt werden konnte. Sonst ist Neuenhaus aber im letzten Krieg vom Schicksal vieler Städte und Dörfer verschont geblieben, es wurde nichts zerstört oder zerbombt.
Ab 1954 Wasserleitung, Strom und Kanalisation
Heute bemüht sich die Stadt, den Anschluß an die moderne Zeit zu erhalten. 1954 bekam Neuenhaus Anschluß an das Wasserleitungsnetz. Das stadteigene Elektrizitätswerk auf der Dackhorst wurde verkauft und das Netz an die Überlandleitung angeschlossen (RWEVO). Die Bentheimer Eisenbahn stellte ihren Personenverkehr auf Autobusse um und erweiterte ihren Verkehrsdienst beträchtlich, so daß von Neuenhaus aus auch die umliegenden Orte ohne viel Mühe zu erreichen sind. Neue Siedlungen sind in den letzten Jahrzehnten entstanden, und noch immer wird weitergebaut. Eine moderne Kanalisation löst die alte ab, eine große Kläranlage entstand bei der Dinkelmündung.
Giebel und Gartentore
Wenn auch bei der Planung im Übereifer manchmal etwas übers Ziel geschossen wurde, so gibt es andererseits auch Bürger, welche nicht unbedingt alles Alte, Historische zerstören wollen, sondern es, soweit es erhaltenswert ist, in die neuen Verhältnisse mit einbauen. Ein Beispiel sind die schon erwähnten Giebel sowie einige alte Gartentore, die man mit künstlerischem Geschmack sehr schön in die Gartenumzäunungen eingefügt hat.
Alte und neue Zeit, Vergangenheit und Gegenwart, sie reichen sich hier sichtbar die Hand. Unser kleiner Streifzug durch die Geschichte der Stadt Neuenhaus, durch sechs Jahrhunderte, soll auf Schönheiten und Probleme, auf Erreichtes und Aufgaben hinweisen. Mögen nun auch friedliche Aufbau-Zeiten folgen und bis in die fernste Zukunft den strebsamen Bewohnern Gelegenheit geben zu einem Leben, welches auch wirklich lebenswert ist!

Burg Dinkelrode und erste Siedlung
Von Gerhard Olthuis (aus: Neuenhaus Ansichten Einblicke 2011, S. 34-39)
Die Grafen zu Bentheim mussten vermutlich bis etwa Mitte des 12. Jahrhunderts um ihre Macht gegenüber angrenzenden Gografen fürchten. Kaiser Karl der Große ließ, nachdem er um 800 die Sachsen unterworfen hatte, in den eroberten Gebieten sogenannte „Gos“ einrichten.
So bezeichnete man zunächst kultiviertes besiedeltes Gebiet beziehungsweise einen besiedelten Bezirk. In diesem Gebiet lag die Niedere Gerichtsbarkeit bei einem dort eingerichteten Gogericht – diesem stand ein vom Kaiser eingesetzter Gograf vor.
Die Gografen waren kaiserliche Beamte, sie mussten den Bezirk beaufsichtigen und verwalten und, bei Bedrohung von außen, militärische Aufgaben übernehmen. An der Vechte, im Bereich der heutigen Grafschaft Bentheim, gab es vier Gogerichte. Es waren dies Schüttorf mit den Kirchspielen Ohne und Bentheim/Gildehaus und die Bezirke Nordhorn, Uelsen und Emlichheim. Die Gerichte Neuenhaus und Veldhausen kamen später hinzu.
Um ihren Machtbereich zu vergrößern, erwarben die Grafen zuerst das Gericht Schüttorf mit den Kirchspielen. Dieser Bereich mit dem Mittelpunkt Bentheim bildete im Jahr 1184 den Kern des Territoriums Bentheim, die heutige Obergrafschaft.
Von diesem Mittelpunkt ausgehend erwarben die Grafen um 1300 flussabwärts der Vechte das Gericht Nordhorn. Nördlichster Punkt dieses Machtbereiches war die Burg Gravesthorpe in Grasdorf, später Olthuis genannt. Diese Burg stand an der Grenze der heutigen Obergrafschaft zur Niedergrafschaft.
Um ihr Herrschaftsgebiet zwischen den Grenzen der Bistümer Münster und Utrecht weiter auszuweiten, erwarben die Grafen das Gogericht Uelsen von Eiland van Toren und danach die Herrlichkeit Emlichheim, später auch Neuenhaus und Veldhausen.
Somit drangen die Grafen in das Herrschaftsgebiet des Bischofs von Utrecht ein. Dieses Gebiet (die heutige Niedergrafschaft) gehörte seit der Missionierung um 700 zum Bistum Utrecht. Das gesamte von den Grafen beherrschte Territorium erhielt nach dem Titel des Grafen die Bezeichnung „Grafschaft“ Bentheim.
Bau der Burg
Um den neuen Besitz besser sichern und bei feindlichen Überfällen aus der Twente die Niedergrafschaft verteidigen zu können, ließ Graf Johann II. zu Bentheim (1305-1333) im Jahre 1317 an der Dinkel eine Wasserburg errichten. Urkundlich wird die neue Burg erstmals 1328 erwähnt.
Sie lag auf einem erhöhten Gelände am rechten Ufer der Dinkel. Sie wurde bewusst zwischen die unwegsamen Dinkelarme gebaut, weil sie so durch die vielen Wasserläufe der sich teilenden Dinkel gegen feindliche Übergriffe besser geschützt und schwerer einzunehmen war. Sie wurde Dinkelrode genannt. Der Name setzt sich aus dem Flussnamen „Dinkel“ und wahrscheinlich aus der Abkürzung „rode“ von „gerodet“ zusammen, da der Wald vor dem Bau der Burg gerodet werden musste.
Dinkelrode lag in der Mark Grasdorf im äußersten Zipfel des Osterwaldes, unweit der Dinkelmündung in die Vechte. Der Bischof zu Utrecht versuchte, sein Territorium nach Osten auszuweiten, und hatte deshalb die Burg zu Lage bauen lassen. Dinkelrode sollte somit auch als Schutz gegen die bischöfliche Burg zu Lage dienen. Strategische Gesichtspunkte mögen der Hauptgrund zum Bau der Burg gewesen sein so wie auch bei der Burg Gravesthorpe in Grasdorf. Sie wurde zudem zum Schutz der Handelsstraße Münster-Amsterdam und ihrer Dinkelfurt (später Brücke) errichtet. Sie sollte die Räuberbanden abschrecken.
Die Grafen zu Bentheim konnten sich zwischen den Bistümern Münster und Utrecht nur deshalb behaupten, weil sie den wertvollen Sandstein abbauen ließen. Diesen graugelben Sandstein verkauften die Grafen überwiegend ins steinarme (aber sonst reiche) Nordholland. Er wurde über die Vechte oder die Handelsstraße Münster-Amsterdam transportiert. Von den Einkünften aus dem Sandsteinabbau und Zöllen konnten die Grafen die Burg Bentheim ausbauen und später auch die Burgen Gravesthorpe und Dinkelrode errichten lassen. Um die Handelswege zu schützen, unterhielten Wehranlagen. Sie bauten eine Verwaltung auf und förderten das Kirchen- und Schulwesen. Am 21. November 1328 übergaben Graf Johann II., seine Gattin Mechthild und die Söhne Simon und Otto die neue Kapelle der Burg.
Neuenhaus-Namensgebung
Die Bauern von Gravesthorpe und aus den Kirchspielen Veldhausen und Uelsen hatten Hand- und Spanndienste zu leisten. Veldhausen wird 1317 erstmals urkundlich erwähnt. Der Name Dinkelrode änderte sich. Bald erhielt die neue Wasserburg an der Dinkel, im Gegensatz zur ursprünglichen Burg Oldhus (dat aule Hus) an der Vechte, den Namen „dat nyje Hus“.
Eine andere Deutung geht davon aus, dass die Burg Bentheim als altes Haus gesehen wird, während die Burg Dinkelrode das neue (weitere) Haus der Grafen von Bentheim gewesen sein soll. Von der Bezeichnung „dat nyje Hus‘ erhielt Neuenhaus seinen Namen.
„Söwenhüssieshook“ (die erste Siedlung)
Nach dem Bau der eigentlichen Burg wurde auf einer Nebeninsel eine „Vorburg“ errichtet. Von ihr führte eine Brücke über den Dinkelarm zur Hauptburg. Die Vorburg war wie die ganze Burganlage von Wasser umgeben. Eine Zugbrücke stellte die Verbindung von der Burganlage zum „Festland“ her beziehungsweise zu dem Weg, der heute als Straße nach Uelsen führt.
Auf der Vorburg wohnten die gräflichen Beamten, Handwerker und Wachleute, die zum Bau der Burg eingesetzt wurden. Nach dem Weggang der Bauhandwerker folgten Fuhrleute, Fischer Handwerker und Händler, die sich im Schutze der Burg ansiedelten. Diese Vorburg (Siedlung) bestand aus sieben Häusern, daher die Bezeichnung „Söwenhüssieshook“ (sieben Häuser Ecke) und ist der älteste Teil der späteren Stadt. Das älteste Haus soll dort gestanden haben, wo sich jetzt die Gaststätte „Deutsches Haus“ befindet.
Seit dem 15. Jahrhundert diente die Burg dem jeweiligen gräflichen Amtmann als Amtssitz. Damit war der Grundstein gelegt für die nachfolgende Entwicklung der Stadt zum Verwaltungsmittelpunkt der Niedergrafschaft.
Sicherung des Handels
Um ihre Einkünfte aus dem Sandsteinabbau zu sichern, waren die Grafen bestrebt, die Bewohner der Siedlungen an der Vechte, die Vechteschifffahrt, den Handelsweg Münster-Amsterdam und die Handelsplätze besonders zu schützen.
Schüttorf bekam 1295 vom Grafen Egbert, Neuenhaus 1369 und Nordhorn 1379 von Graf Bernhard I. zu Bentheim die Stadtrechte verliehen. Vorhandene Wege und Straßen wurden befestigt und neue gebaut, ebenso eine Brücke, um die Dinkel schneller überqueren zu können (anstatt der Dinkelfurt).
Graf Bernhard I. zu Bentheim verlieh den Bürgern des „Flecken Nynhus“ besondere Privilegien und Rechte, damit der Ort sich schneller zum Handelsplatz entwickeln konnte. Er erteilte den „borgeren toe Nynhus“ am 29. September 1369 das Stadtrecht. So war ihnen nun erlaubt, ihr Vieh in der Grasdorfer Mark weiden zu lassen, dort auch Plaggen und Torf zu stechen, in der Stadt einen Markt abzuhalten, Mühlen zu betreiben und Wege- beziehungsweise Brückenzölle zu erheben. Durch die Anlage von Mauern, Gräben, mit Palisaden bewehrten Wällen und Stadttoren war das Hab und Gut der Stadtbewohner nun besser geschützt.
Zerstörung
Im 30-jährigen Krieg (1618 bis 1648) haben feindliche Soldaten die Burg und die Stadt überfallen, sie geplündert und verwüstet. In welchem Jahr die Burg zerstört wurde, ist nicht bekannt. 1635 nahm der hessische Kommandant Karl Rabenhaupt von Sucha Neuenhaus in Besitz und ließ die Befestigungsanlagen verstärken. Kurz darauf nahmen kaiserliche Soldaten die Stadt ein und zerstörten die Burg. Seit dieser Zeit ist diese nie wieder richtig aufgebaut worden, sondern sie wurde nur notdürftig repariert und verfiel mit der Zeit.
1696 scheinen das Burgtor, Teile der Sandsteinwände vom Erdgeschoss und Reste der Wälle noch vorhanden gewesen zu sein: Holländische Soldaten mussten bei der Einnahme der Burgreste noch das Burgtor aufsprengen. Ansonsten dienten die Sandsteine der Burg als neues Baumaterial für die Bürgerhäuser.
Graf Arnold II. auf Dinkelrode geboren
Graf Arnold II. wurde am 10. Oktober 1554 in der Burg geboren. Er wurde eine der bedeutendsten Persönlichkeiten des Gräflichen Hauses zu Bentheim. Während seiner Regentschaft führte er 1588 in der Grafschaft die Reformation reformierter Prägung ein. Er ließ Schulen bauen und sorgte für eine moderne Verwaltung. Er starb am 11. Januar 1606.
Älteste Abbildung der Burg Dinkelrode
Auf dem ältesten bekannten Wappen beziehungsweise Siegel der Stadt Neuenhaus von 1528 ist ein Haus mit einem Stufengiebel abgebildet. Es findet sich über dem Eingang vom Alten Rathaus und am Lesepult der Kanzel der reformierten Kirche in Neuenhaus. Eine weitere Darstellung der Burg Dinkelrode befindet sich auf der Grabplatte von 1562 des Grafen Ewerwin III. in Bad Bentheim.
Die Burg wurde in den Jahren 1770/71 bis auf die Kapelle abgerissen. Diese diente noch im 19. Jahrhundert der katholischen Gemeinde als Kirche. Nach dem Bau der jetzigen katholischen Kirche in den Jahren 1863 bis 1865 wurde auch dieses Gebäude als letzter Rest der Burg Dinkelrode abgerissen. Von der Burg ist heute nichts mehr vorhanden. Nur die Gräben (Gräfte) und der Straßenname „Burgstraße“ erinnern an Dinkelrode beziehungsweise „dat nije Hues“. Die erhöhte Stelle in der Burgstraße, auf der einst die Burg errichtet war, heißt heute noch „auf der Burg“ oder „up de Borg“.
Gerhard Olthuis

